Diagnostik und Therapie

Ein gutes Leben ist möglich

Von Mike Paßmann · 2014

Diabetes ist eine Volkskrankheit, unter der immer mehr Menschen leiden. Unbehandelt sind die Folgen der Zuckerstoffwechselstörung für den Einzelnen verheerend. Um so wichtiger sind Aufklärung und Prävention. Die Medizin führt zu immer besseren Behandlungserfolgen.

Die Zahlen sind erschreckend: Rund sechs Millionen Menschen leiden in Deutschland an einer Form des Diabetes, weitere drei Millionen wissen nichts von ihrer Krankheit. Damit ist Diabetes eine echte Volkskrankheit – mit zunehmender Tendenz. Seit Jahrzehnten steigt die Zahl der Betroffenen, nicht nur bei älteren Menschen. Das Deutsche Diabetes- Zentrum schätzt, dass bis 2030 in der Altersgruppe der 55- bis 74-jährigen etwa 1,5 Millionen mehr Menschen Diabetes haben werden als heute. Ursache dieser Entwicklung ist ganz wesentlich unser Lebensstil. Diese Tatsache macht aber auch Hoffnung: denn unser Leben können wir ändern. Zugleich werden die technischen und medizinischen Möglichkeiten immer größer, die den Menschen mit Diabetes helfen ihre Krankheit zu bewältigen.

Gestörter Zuckerstoffwechsel

Doch zunächst lautet die Frage: Was ist Diabetes eigentlich genau? Viele Menschen assoziieren mit der Krankheit auf der einen Seite jene dicke Tante, die immer ein Stückchen Kuchen zu viel isst und dann über ihre Zuckerwerte klagt. Auf der anderen Seite steht das Bild des Kindes, das ständig seine Blutzuckerwerte messen und täglich vier- bis fünfmal Insulin spritzen muss und häufig vom Sportunterricht oder Klassenreisen ausgeschlossen wird. In Wirklichkeit ist es natürlich viel komplizierter. Diabetes ist eine hochkomplexe Störung des Stoffwechsels, bei der entweder eine zu geringe Menge des Hormons Insulin produziert wird oder das Insulin im Körper keine ausreichende Wirkung entfaltet. Zucker, genauer gesagt dessen wichtigste Form, die Glukose, ist Treibstoff und Baustein für unseren Körper. Er gewinnt sie aus den Kohlenhydraten in unserer Nahrung. Über das Blut verteilt, dient Glukose als einer der Hauptenergielieferanten für unsere Zellen. Und um diesen Kraftstoff aufnehmen zu können, brauchen die Zellen Insulin, ein Hormon, das in der Bauchspeicheldrüse gebildet wird. Liegt ein Diabetes vor, kommt es zu einem hohen Zuckerspiegel im Blut. Gleichzeitig sind die Zellen unterzuckert, bekommen also zu wenig Energie. Die akuten Folgen des Mangels reichen von Konzentrationsstörungen und Müdigkeit bis Bewußtseinsstörungen. Dauerhaft zu hohe Zuckerwerte schädigen insbesondere die Blutgefäße wichtiger Organe unter anderem Gehirn, Herz, Nieren, Beine und Augen.

Zwei Haupttypen des Diabetes

Die Medizin unterscheidet zwischen zwei Haupttypen des Diabetes, die von ihrer Entstehung her ganz unterschiedliche Erkrankungen sind. Der Typ-1-Diabetes, von dem nur etwa fünf bis zehn Prozent aller Diabetiker betroffen sind, beruht auf einem Insulinmangel aufgrund des Absterbens Insulin produzierender Zellen (Inselzellen) in der Bauchspeicheldrüse. In der Regel tritt er vor dem 35. Lebensjahr auf. Neuerkrankungen finden sich aber schon im Kindesalter und vor allem bei Jugendlichen, weshalb man den Typ-1-Diabetes früher auch als „jugendlichen Diabetes“ bezeichnet hat. Ursache ist ein Zusammenwirken von erblicher Veranlagung und äußeren Faktoren, wie zum Beispiel bestimmte Virusinfektionen und Toxine der Umwelt. Körpereigene Abwehrmechansimen zerstören bei dieser Erkrankung die Inselzellen in der Bauchspeicheldrüse. Dieser Prozess, der Monate bis Jahre dauern kann, führt zu einem vollständigen Versiegen der Insulinproduktion. Doch erst nachdem etwa 80 Prozent der Zellen zerstört sind, tritt der Diabetes mit seinen typischen Symptomen meist sehr plötzlich in Erscheinung.

Beim Typ-2-Diabetes kann der Körper zwar Insulin produzieren, aber die Qualität und die Menge des ins Blut freigesetzten Insulins ist gestört. Zusätzlich können die Zellen Insulin nur unzureichend verwerten. Aufgrund dieser Insulinresistenz produzieren die Zellen der Bauchspeicheldrüse dauerhaft sehr viel Insulin, was zu einer regelrechten Überlastung der Bauchspeicheldrüse führt, was wiederum ein Versiegen der Insulinproduktion zur Folge hat. Dadurch steigt die Zuckerkonzentration im Blut. Diese Form der Erkrankung, die etwa 90 Prozent aller Diabetiker betrifft, machte sich früher oft erst im höheren Alter bemerkbar. Darum nannte man den Typ-2-Diabetes auch „Altersdiabetes“. Die Veranlagung für die Störung ist erblich, Auslöser ist jedoch meist die Kombination aus Bewegungsmangel und Fettleibigkeit, die zu erhöhten Blutfetten und Bluthochdruck führen (sogenanntes Metabolisches Syndrom). Immerhin bringen 80 Prozent der Typ-2-Diabetiker zu viel Gewicht auf die Waage und bewegen sich viel zu wenig. Mittlerweile erkranken immer mehr und immer jüngere Menschen aufgrund ungesunder Lebensweise an Typ-2-Diabetes.

Warnzeichen

Das Tückische: Da die Patienten anfangs kaum Beschwerden haben, wird die Krankheit oft erst nach jahrelangem Verlauf und eher zufällig entdeckt. Oft sind dann schon Schäden entstanden. Allgemein können Durst und Harndrang auf einen Diabetes hinweisen. Dahinter steckt das Bemühen der Nieren, den hohen Zucker im Blut auszuscheiden. Dadurch kommt das komplizierte System der Flüssigkeitsbilanzierung im Körper durcheinander: häufiges Wasserlassen und Durst sind die Folge. Auch eine gestörte Wundheilung kann auf einen Diabetes hinweisen. Und schließlich ist auch eine zunächst starke Gewichtsabnahme ein Warnzeichen: Da dem Körper nicht genug Energie in Form von Zucker zur Verfügung steht, kurbelt er – mit weiteren problematischen Folgen – die Energiegewinnung aus gespeichertem Fett an.

Folgen

Menschen mit Typ-1-Diabetes müssen täglich mehrfach ihren Blutzucker messen und dementsprechend das unter die Haut zu spritzende Insulin anpassen. Nur so gelingt es, die Krankheit in die eigene Lebenssplanung mit einzubeziehen und ein erfülltes Leben zu gestalten. Bei Menschen mit Typ-2-Diabetes ist die Behandlung komplexer, sie müssen zum Teil Tabletten mit und ohne Insulin einnehmen. Die Notwendigkeit, den Blutzucker sehr häufig zu kontrollieren entfällt aber. Die über Jahre zu hohen Zuckerkonzentrationen im Blut schädigen vor allem die kleinen und großen Blutgefäße und Nerven. Typisch sind neben einem sehr stark erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf- Erkrankungen zum Beispiel Sehstörungen durch Schädigungen der kleinen Blutgefässe der Netzhaut. Solche Augenschädigungen können bis zur Erblindung führen.

Auch die Blutgefäße der Nieren werden so verändert, dass schließlich ein Nierenversagen eintreten kann. Durch Zuckerschäden an den Nerven treten außerdem häufig Taubheitsgefühle und Gefühlsstörungen auf. Das ist wesentliche Ursache eines „Diabetiker- Fusses“: Verletzungen werden durch mangelndes Schmerzempfinden nicht gemerkt und es kann insbesondere bei gleichzeitigen Durchblutungsstörungen zu schweren Infektionen bis hin zur Amputation kommen. Auch Erektions- und Regelstörungen sind nicht selten. Im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung ist bei Diabetikern das Risiko für Herzinfarkt oder Schlaganfall um das zwei- bis dreifache höher, für Erblinden um das zehn- bis 25-fache. Sie erleiden potenziell 15-mal häufiger ein Nierenversagen. Ihr Risiko für eine Beinamputation ist um das 25-fache höher. Insgesamt, so rechnen Experten vor, lassen sich rund 80 Prozent aller Todesfälle bei Diabetikern auf eine fortgeschrittene Herz-Kreislauf-Erkrankung zurückführen.

Leben mit Diabetes

Viele dieser Todesfälle wären vermeidbar. Sei es dadurch, dass Menschen jenseits der 40 regelmäßig ihre Zuckerwerte kontrollieren und sich rechtzeitig behandeln lassen – bevor Schäden auftreten. Doch dass es immer mehr Typ-2-Diabetiker gibt, liegt – neben der steigenden Lebenserwartung – vor allem an der zunehmenden Verbreitung von Fettsucht, Bewegungsmangel und psychosozialem Stress in der Bevölkerung. Wer dauerhaft abnimmt und sich genügend bewegt, bekommt seinen Typ-2-Diabetes häufig so gut in den Griff, dass er weder Insulin noch Medikamente benötigt. Doch auch die Insulin- und Medikamententherapie macht große Fortschritte, vorausgesetzt, die Betroffenen arbeiten gut mit ihrem Arzt zusammen. Die wichtigste Botschaft aber lautet: Mit rechtzeitiger Entdeckung und individuell angepaßter Behandlung, ist ein ganz normales Leben mit Diabetes möglich. Selbst Leistungssportler können Diabetes haben.

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